BERLIN - In einem Gespräch zwischen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und den Pflegeverbänden wurden heute folgende Festlegungen getroffen:

Zur Herabsetzung des Infektionsrisikos der Pflegebedürftigen und aller in der Pflege tätigen Beschäftigten und zur Entlastung der Pflegeeinrichtungen und der Pflegekräfte werden folgende Festlegungen getroffen.

Qualitätsprüfungen
Qualitätsprüfungen werden ab sofort zunächst bis zum 30. September 2020 ausgesetzt. Über eine ggf. notwendig werdende Verlängerung wird rechtzeitig entschieden. Anlassprüfungen sollten weiter durchgeführt werden; die Pflegekassen, die Krankenkassen und die Medizinischen Dienste prüfen dabei im Einzelfall die Notwendigkeit einer Begehung/Prüfung in der Einrichtung unter Berücksichtigung der aktuellen Lage. Die Indikatorenerhebung durch die vollstationären Einrichtungen (derzeit Erprobungsphase) wird ebenfalls ausgesetzt.

Begutachtung
Begutachtungen zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit erfolgen anstelle von körperlichen Untersuchungen in der Häuslichkeit oder im Pflegeheim in einer Kombination von Aktenlage und strukturiertem Interview (telefonisch oder digital) mit dem Pflegebedürftigen, einer Pflegeperson oder Pflegekraft und ggf. dem rechtlichem Betreuer.
Die Bearbeitungsfrist für Anträge auf Leistungen der Pflegeversicherung (25 Arbeitstage) wird zunächst bis zum 30. September 2020 ausgesetzt. Für die Leistungsgewährung sind wie bisher der Tag der Antragstellung und das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen entscheidend. Für Dringlichkeitsfälle wird der Spitzenverband Bund der Pflegekassen ermächtigt, bundesweit einheitlichen Kriterien für das Vorliegen eines besonders dringlichen Entscheidungsbedarfs festzulegen. Wiederholungsbegutachtungen finden nicht statt.

Nutzung von ggf. frei werdenden Ressourcen der MDK für die pflegerische Versorgung
Das Bundesministerium für Gesundheit begrüßt ausdrücklich, dass die Medizinischen Dienste und der Prüfdienst des Verbandes der privaten Krankenversicherung bereit sind, freies ärztliches und pflegerisches Personal ohne Kosten-/Aufwandsersatz an Pflegeeinrichtungen, Krankenhäuser und Gesundheitsämter abzustellen. Zur konkreten Umsetzung sollen die Medizinischen Dienste Vereinbarungen mit den Bundesländern treffen.

Beratungsbesuche
Es wird die Möglichkeit geschaffen, auf die nach § 37 Absatz 3 Satz 1 SGB XI vorgeschriebenen Beratungsbesuche zu verzichten, ohne den Pflegegeldanspruch zu kürzen. Die Pflegekassen verzichten bis zum 30. September 2020 vollständig auf die Durchführung und Überprüfung der Beratungsbesuche. Auch eine rückwirkende Kürzung oder Entziehung soll ausgeschlossen werden. Dabei bleibt aber der Anspruch der Pflegebedürftigen auf einen Beratungsbesuch unverändert, einem entsprechenden Bedarf ist weiter grundsätzliche Rechnung zu tragen. Als Alternative kommen telefonische und digitale Beratungen in Betracht.

Sicherstellung der pflegerischen Versorgung / Anzeigepflicht gegenüber Pflegekassen
Anzeigepflicht für die Pflegeeinrichtungen gegenüber den Pflegekassen bei einer wesentlichen Beeinträchtigung der Leistungserbringung infolge der Covid-19-Epidemie. Es genügt die Anzeige an eine als Partei des Versorgungsvertrages beteiligte Pflegekasse. In Abstimmung mit den weiteren hierbei zuständigen Stellen haben die Pflegekassen zusammen mit der Pflegeeinrichtung zur Sicherstellung der pflegerischen Versorgung die erforderlichen Maßnahmen und Anpassungen vorzunehmen. Dabei sind zum flexiblen Einsatz des Pflegepersonals (z.B. aus der Tagespflege) in anderen Versorgungsbereichen alle bestehenden Instrumente und Mittel zu nutzen und unbürokratisch einzusetzen.

Unterschreiten der vereinbarten Personalausstattung in stationären Pflegeeinrichtungen / Aussetzen von Vergütungskürzungsverfahren
Die bei Unterschreiten der vereinbarten Personalausstattung gesetzlich vorgesehenen Vergütungskürzungsverfahren werden ausgesetzt.

Finanzierung von Corona-bedingten außerordentlichen Aufwendungen sowie Mindereinnahmen von zugelassenen Pflegeeinrichtungen, z.B. für Schutzausrüstung (Masken, Schutzkittel, Desinfektionsmittel) als auch für zusätzliches Personal und Schwankungen bei der Inanspruchnahme
Es wird ein zeitlich begrenzter unbürokratischer Ausgleich der wirtschaftlichen Folgen für durch Corona-bedingte außerordentlichen Aufwendungen oder Mindereinnahmen von zugelassenen Pflegeeinrichtungen durch rasche gesetzliche Maßnahmen eingeführt.

Festlegungen vom 19.03.2020 als Download

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